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Chancen und Risiken von Abonnement-Modellen für Software

Mein erstes MS Office für den Rechner zu Hause habe ich mir vor mehr als 20 Jahren gekauft, damals noch für knapp 500 Deutsche Mark. Irgendwann kam der Tag, an dem mein E-Mail-Provider die Sicherheitsstandards verbessert und mein teuer erworbenes MS Outlook diese nicht mehr unterstützt hat. Zähneknirschend habe ich mir ein neues MS Office gekauft. In anderen Bereichen des Lebens kauft man sich ganz selbstverständlich regelmäßig neue Versionen. So kauft sich ein durchschnittlicher Mensch mehr als 10 Autos im Laufe seines Lebens oder man kauft sich neue CDs des Lieblingskünstlers.

Die Lösung für diese Problematik sind Abonnements: Der Anwender bezahlt regelmäßig einen kleinen Betrag und kann dafür auf alle neuen Versionen und Funktionen einer Software zugreifen. Auf der Seite des Anwenders entfällt dadurch der teure Neukauf und er kann immer die aktuellen Sicherheitsstandards nutzen, sowohl in der Software als auch im Auto. Auf der anderen Seite hat der Anbieter regelmäßige Einnahmen und kann damit Neu- und Weiterentwicklung sicher planen und finanzieren.

Welche Modelle gibt es?

Im Bereich von Software gibt es Wartungsvertrag-Abonnements und Software-Abonnements sowie verschiedene Varianten dazwischen. Bei einem Wartungsvertrag-Abonnement kauft der Anwender die Software zuerst und schließt dabei, in der Regel sofort, einen Wartungsvertrag ab, der Updates und meist auch Zugriff auf exklusive Services beinhaltet. Während der Laufzeit des Wartungsvertrags kann der Anwender auf alle neuen Versionen der gekauften Software zugreifen. Mit dem Ende bzw. der Kündigung des Wartungsvertrags wird die Berechtigung auf die letzte veröffentlichte Version eingefroren. Diese kann nach dem Ende des Abonnements auch weiterhin verwendet werden.

Bei einem Software-Abonnement schließt der Anwender lediglich den Abonnement-Vertrag ab. Er kauft die Software aber nicht vorab. Dafür erlischt mit dem Ende des Abonnements die Berechtigung, die Software zu verwenden, komplett. Es können auch keine alten Versionen mehr eingesetzt werden. Das bedeutet, dass in diesem Fall die Hürde zum Abschluss eine Abonnements deutlich geringer und die Hürde zur Kündigung deutlich höher ist als bei einem Wartungsvertrag.

Der technische Ablauf ist in beiden Fällen identisch. Mit dem Abschluss des Abonnements erhält der Anwender eine Lizenz. Diese wird regelmäßig während der Laufzeit erneuert. Bei einem Wartungsvertrag wird der Wartungszeitraum verlängert, bei einem Software-Abonnement das Ablaufdatum. Mit der Kündigung wird die Verlängerung beendet bzw. das Enddatum fest in die Lizenz eingetragen.

Welche Preisgestaltung sollte ich wählen?

Während wir in den letzten Ausgaben unseres KEYnote-Magazins die technischen Seiten von Abonnements im Detail beleuchtet haben, schauen wir uns heute die Auswirkungen auf Preismodelle und Umsätze an. Nehmen wir dazu ein konkretes Beispiel. Unser Softwareprodukt kostet als Kaufversion 5.000 €. Ohne Abonnement sieht das Modell so aus, dass Anwender ein Update der Software kaufen können. Typischerweise werden Updates innerhalb der ersten 2 bis 3 Jahre für ca. 50 % des Preises angeboten. In unserem Fall wäre dies ein Preis von 2.500 €. Hat der Anwender zu viele Updates ausgelassen, das heißt, beträgt die Zeitspanne mehr als 3 Jahre, muss der Anwender die Software erneut zum vollen Preis erwerben.

Im Falle eines Wartungsvertrag-Abonnements liegen die Preise bei 12 % bis 25 % des Kaufpreises als jährliche Wartungsgebühr. Das heißt, der Anwender zahlt in diesem Fall zusätzlich zu den 5.000 € Lizenzkosten noch 600 € bis 1.250 € für den Wartungsvertrag.

Für monatliche Lizenz-Abonnements liegen die Preise in der Regel zwischen 2 % und 5 % des Kaufpreises als monatlicher Abonnement-Preis. In unserem Fall sind dies zwischen 100 € und 250 € Miete pro Monat. Je nach Vertragsgestaltung sind monatliche, quartalsweise, halbjährliche oder jährliche Abrechnungen üblich.

Mit welchen Chancen und Risiken muss ich rechnen?

Spielen wir die Chancen und Risiken an dem konkreten Beispiel aus dem vorherigen Kapitel einmal konkret durch. Nehmen wir beim Kaufmodell an, dass unsere Firma im ersten Jahr 100 neue Anwender als Kunden gewinnen kann und dass wir diese Anzahl jedes Jahr um 5 % steigern können. Nehmen wir weiterhin an, dass wir das Update für 50 % des Kaufpreises anbieten und dass 50 % der Anwender dieses Angebot annehmen. Hier sehen wir schon ein entsprechendes Risiko des Kaufmodells. Ohne interessante neue Features, den sogenannten „Killer-Features“, wird die Anzahl der Anwender, die das Update-Angebot annehmen, sehr klein sein.

Für den Vergleich mit dem Wartungsvertrag-Abonnement nehmen wir an, dass 75 % der Anwender einen Wartungsvertrag abschließen, dieser 20 % des Kaufpreises beträgt und pro Jahr 10 % der Anwender diesen kündigen. Beim Lizenz-Abonnement-Modell gehen wir davon aus, dass wir 4 % als monatliche Rate angesetzt haben, wir nur 5 % Kündigungsrate pro Jahr haben und durch das attraktivere Preismodell 25 % mehr Kunden gewinnen können. Da Anwender, die das Lizenz-Abonnement kündigen, die Software nicht mehr nutzen können, während sie bei einem Wartungsvertrag-Abonnement damit weiterhin arbeiten können, ist die Kündigungsrate hier deutlich niedriger anzusetzen.

Die Vergleichsgrafik zeigt deutlich, dass die Chancen mit einem Lizenz-Abonnement langfristig viel besser sind als mit klassischen Verkaufsmodellen. Und das selbst dann, wenn nur 25 % mehr Kunden durch das neue Modell gewonnen werden können. Es zeigt aber auch, dass in den ersten Jahren mit weniger Umsatz zu rechnen ist, man also den redensartlichen langen Atem“ benötigt, um ein Lizenz-Abonnement einzuführen. Vor allem, wenn ein bereits etabliertes Kaufmodell auf ein Lizenz-Abonnement umgestellt werden soll, muss man kurzfristig mit Umsatzrückgängen rechnen. Empfehlenswert ist es daher, neue Produkte oder neue Märkte mit den neuen Modellen einzuführen und bestehende Produkte auslaufen zu lassen.

Das Wartungsvertrag-Abonnement ist dagegen risikolos. Auch hier sind über die Jahre, vor allem bei niedrigen Kündigungsraten, relevante Umsätze möglich. Hier ist es nicht ungewöhnlich, dass bei am Markt etablierten Firmen der Wartungsvertrags-Umsatz über den Umsatz mit Neulizenzen deutlich hinausgeht.

Der Businessplan für die Einführung von Abonnements ist dementsprechend für jede Software abhängig von Markt und Kundenverhalten unterschiedlich, so dass diese Beispielrechnung nur als ein grober Anhaltspunkt verstanden werden möchte.

Win-Win-Situation?

Der Vorteil für den Anbieter liegt auf der Hand. Er realisiert langfristig planbare Umsätze, was sein Geschäftsrisiko vermindert. Dies gilt sowohl für Wartungsvertrag-Abonnements als auch in besonderem Maße für Software-Abonnements. Doch hat auch der Anwender Vorteile, vor allem bei Software-Abonnements. Der naheliegende Vorteil sind die deutlich geringeren Einstiegskosten. Für MS Office liegen diese mit 10 € monatlicher Gebühr wesentlich niedriger als beim Kauf für 200 € bis 300 €, um beim Beispiel aus meinem eigenen Leben zu bleiben. Natürlich habe ich mittlerweile auf das Abonnement umgestellt. Damit profitiere ich als Anwender davon, immer die aktuelle Version mit den aktuellen Sicherheitsstandards einsetzen zu können. Beim nächsten Update des E-Mail-Providers kann ich mich also entspannt zurücklehnen und muss keine neue Software kaufen.

Ein weiterer Vorteil ist meist der größere Funktionsumfang. Während man im Kaufmodell oft nur die Funktionen erwirbt, die man aktuell benötigt, erhält man im Abonnement einen größeren, wenn nicht gar den kompletten, Funktionsumfang in einem günstigen Paket. Oder wussten Sie, dass man in MS Excel auch das Maximum oder Minimum eines Wertes abhängig von anderen Spalten bestimmen kann? Dank des MS-Office-Abonnements weiß ich das und nutze es intensiv.

Um den Bogen zu Musik und Auto-Industrie zu schließen, auch hier haben sich Abonnements durchgesetzt bzw. sind im Kommen. Im Musikbereich kaufen viele Menschen keine CDs mehr, sondern schließen ein Abonnement ab und können dann auch die neueste Musik ohne Zusatzkosten hören. Auch hier gilt, dass viel mehr drin ist, als man eigentlich benötigt oder haben möchte. Oder kennen Sie jemanden, der Helene Fischer, Alphaville und Sepultura gleichzeitig mag? Und denken Sie nur an die immer zahlreicheren Streaming-Dienste, die den klassischen Kinos zwischenzeitlich den Rang abgelaufen haben.

 

KEYnote 43 – Frühjahr-/Sommerausgabe 2022

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